Im Schatten von Gaza

Teil 2

Nach wenigen Tagen wurde klar, dass wir nicht so schnell nach Yatta zurückkehren können und dass es unter den aktuellen Umständen kaum möglich wäre, unsere Arbeit weiterzuführen, da die Bewegungsfreiheit in der Umgebung von Yatta stark eingeschränkt wurde. Weiter war unklar, ob man für unsere Sicherheit hätte garantieren können. Dies traf auch auf die anderen Placements zu und so wurden alle EAs innerhalb von drei Tagen über Land nach Amman evakuiert, um von dort aus die Heimreise anzutreten. Andere internationalen Organisationen haben Masafer Yatta ebenfalls im Oktober verlassen. Vor Ort sind unseres Wissens noch israelische Friedensaktivisten.

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… und “plötzlich” war Krieg

Teil 1

Man hatte uns gewarnt, dass während den hohen jüdischen Feiertagen Rosh Hashanah und Yom Kippur, die Übergriffe der Siedler:innen und die Kontrollen seitens der Armee zunehmen würden. Doch in Masafer Yatta blieb es erstaunlich ruhig. Die Zementblöcke bei der Einmündung der Zufahrtstrasse aus Yatta in die 326 wurden zwar etwas gegeneinander verschoben, so dass nur ein Auto aufs Mal durchfahren konnte, doch bemannt wurde die Stelle entgegen unserer Erwartungen nicht.

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Spontaner Besuch bei Oma & Opa? – Von Strassensperren, Sicherheit und Bewegungsfreiheit

Ein spontaner Einkaufsbummel in Konstanz oder etwa doch Mailand? Vielleicht aber auch ein entspannter Sonntag in der Nachbarsstadt Solothurn? Welche Schweizer:in kennt sie nicht; die «Qual der Wahl» den heraneilenden freien Samstag oder Sonntag zu verbringen? Oftmals unberücksichtigt bleibt dabei jedoch die entscheidende Grundvoraussetzung, welche uns jene breite Palette an Möglichkeiten eröffnet, nämlich die Freiheit uns in nahezu sämtlichem geographischem Raum der Schweiz ungehindert bewegen zu können. Und damit nicht genug. Infolge des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Union von 1999 ist es Schweizer:innen und Personen mit Schweizer Aufenthaltsrecht gar gestattet sich unkompliziert über die eigenen Grenzen hinaus im Europäischen Raum fortzubewegen. Beim Überqueren der nationalen Grenze heutzutage ein gültiges Reisedokument vorzeigen zu müssen, mutet für Viele – insbesondere die jüngere Generation, welche kein «Vorher» kennt – gar eigentümlich an.

Nicht so aber hier im Westjordanland, wo das Vorzeigen gültiger Papiere und Kontrollen zum Alltag gehören. Dabei spreche ich jedoch nicht von einem sonntäglichen «Kurztrip» in einen nahgelegenen Nachbarsstaat, sondern von unspektakulär zurückzulegenden Wegstrecken, wie etwa der alltägliche Gang zur Arbeit, zur Schule oder zum wöchentlichen Gebet, die durch etliche militärische Kontrollpunkte unterbrochen werden und damit ein schnelles und einfaches Passieren verunmöglichen.

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Israël et « Israël »

Je regardais pour la énième fois le bout de papier froissé dans le creux de ma main, décrivant à travers de petites lettres sombres et maladroites l’heure de rendez-vous ainsi que l’adresse du restaurant ; le « Abie » sur la Lincoln Street, en plein centre-ville de Tel Aviv. J’avais le sentiment d’être à des milliers de kilomètres de la Palestine, entouré de gratte-ciel illuminant l’ensemble de la ville par les valses de leurs baies vitrées reflétant les bannières lumineuses des plus gros conglomérats financiers israéliens. Ces innombrables bureaux, tantôt éteints, tantôt illuminés semblaient former une sorte d’alphabète qu’il m’était interdit de saisir, soigneusement disposé sur la surface de ces monolithes de verre. Le rythme incessant des phares des SUV transperçant la ville de toute part transformaient ces textes incandescents en kaléidoscopes géants. Pourtant, malgré ce spectacle lumineux étourdissant, mon esprit était ailleurs. Je ressassais sans cesse les mêmes questions ; qu’allais-je dire, que convenait-il de ne pas aborder, comment m’exprimer ?

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Von Kindern und Soldat*innen – Schulalltag im Westjordanland

Mirva ist Mitte 30, Englischlehrerin, Mutter von vier Kinder, Palästinenserin. Jeden Morgen kurz nach 7:00 stellt sie sich neben das Eingangstor der Primarschule im 1400-Seelen-Dorf Al Minya. Während die Sonnen aufgeht, kommen die ersten Kinder an. Lachend, redend, raufend. Mirvat begrüsst jedes einzelne von ihnen. Die Jungen und Mädchen mögen und respektieren sie, das sieht man sofort. Mirvat nimmt sich Zeit für sie, wirft einen Blick auf mitgebrachte Hausaufgaben oder klärt letzte Unklarheiten vor einer Prüfung. Das einzig Ungewöhnliche an dieser morgendlichen Szene sind wir und die Soldat*innen.

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Hebron ohne TIPH

Am 25. Februar 1994 ereignete sich in der Abrahams-Moschee in der Altstadt von Hebron ein für die Stadt traumatisches Ereignis. Während sich zum morgendlichen Ramadan-Gebet rund 800 Gläubige versammelten, betrat der israelische Siedler Baruch Goldstein, der Mitglied der Kach-Partei war, die später als terroristische Organisation in Israel verboten wurde, unbehelligt mit einem Sturmgewehr die Moschee und eröffnete das Feuer. Er tötete 29 Palästinenser*innen und verletzte 125.[1]

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Goldstein-Massaker aufs Schärfste und rief dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, welche die Sicherheit und den Schutz der palästinensischen Bevölkerung gewährleisten. Nach Verhandlungen unterzeichneten Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Israels ein Abkommen, in dem die internationale Beobachter*innenmission TIPHTemporary International Presence in the City of Hebron – etabliert wurde.[2]

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„Wir werden dich brechen“

«Wenn ich morgens das Haus verlasse, bin ich mir nie sicher, ob ich zurückkommen werde», erzählt uns Schäfer Burhan. Einen kleinen Einblick in die Gefahr, der er und viele andere Palästinenser*innen tagtäglich ausgesetzt sind, bekommen mein Team, – bestehend aus vier Menschenrechtsbeobachter*innen (mich inklusive) – an diesem Freitag im September.

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30 Minuten und ein Zuhause ist zerstört

Der Arm des Baggers saust auf das Dach des Hauses nieder. Eine Staubwolke vernebelt für ein paar Sekunden die Sicht. Der Bagger holt zum nächsten Schlag aus. Eine Wand stürzt krachend zusammen. Wieder und wieder setzt der zerstörerische Arm des Baggers an. Dann: Stille. 30 Minuten und dort wo vorher ein Haus stand, ist jetzt nur noch ein Schutthaufen zu sehen. 30 Minuten und eine Familie hat ihr Zuhause verloren.

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La saveur du rire

Il en existe de toutes les variétés, de magnitudes et de saveurs, quel que soit votre outil de lecture, le rire varie au gré des époques, des cultures, des phénomènes sociaux et économiques. L’éventail du rire caresse l’infini, permettant à ce dernier d’osciller entre d’innombrables formes et expressions ; tonitruant, cynique, contagieux, de bon cœur, édenté, grinçant… Le rire est toutefois conditionné – comme tous phénomènes humains – au contexte dans lequel il s’exprime. Il n’y a pas de rire absolu, l’être humain rit de quelque chose, pour quelque chose. Le rire est issu de son environnement, pour son environnement. Pour ma part, l’Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel m’a récemment permis de découvrir un nouvel environnement, dont le ciel a mis en lumière un rire que les latitudes européennes ne permettaient pas d’éclairer.

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Ausübung der Religionsfreiheit in Hebron

Die Stadt Hebron ist in gewisser Weise ein Mikrokosmos dessen, was unter der israelischen Besatzung Palästinas geschieht. Im Jahr 1997 wurde Hebron mit seinen rund 215 000 Einwohner*innen im Rahmen des Osloer Abkommens in zwei Sektoren aufgeteilt. Dem Abkommen zufolge sollten 80 % von Hebron (H1) von der Palästinensischen Behörde verwaltet werden. Der restliche Teil der Stadt (H2), der hauptsächlich aus der Altstadt besteht, steht unter israelischer Verwaltungs- und Militärkontrolle. In H2 leben etwa 33.000 Palästinenser*innen und einige hundert israelische Siedler*innen in vier Siedlungen, die je nach politischer Lage von 600-800 Armeeangehörigen bewacht werden.[1]

Als Menschenrechtsbeobachter in Hebron sehe ich täglich, wie die Anwesenheit israelischer Soldat*innen und Siedler*innen das Leben der palästinensischen Bewohner in der Altstadt von Hebron beeinträchtigt. Ein Alltag, der geprägt ist von Kontrollpunkten, Mauern, Schikanen, abgesperrten Wohngebieten und Einkaufsstraßen.

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