Die erste Überraschung erwartet mich gleich bei der Ankunft in Hebron: Es ist ca. halb fünf am Nachmittag, die Sonne geht bald unter. Trotzdem ist ein reges Treiben auf einer der Hauptstrassen der Stadt zu beobachten. Die meisten Läden sind geöffnet und zahlreiche Autos bahnen sich ihren Weg ins Zentrum oder in umgekehrter Richtung in die Peripherie. Ich hatte vor meiner Ankunft eine tote Stadt erwartet, verlassene Strassen und verbarrikadierte Läden. Diese Seite existiert zwar auch, aber der Reihe nach.
Mit einer Einwohnerzahl von über 200’000 ist Hebron die grösste Stadt der West Bank hinter der Trennmauer[1]. Abgesehen von Ostjerusalem weist Hebron als einzige palästinensische Stadt israelische Siedlungen im Zentrum auf[2]. Die Anzahl israelischer Siedler*innen in Hebron beläuft sich auf einige hundert Personen. Ca. 80% der Stadt sind unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde, während Israel die restlichen 20% kontrolliert. Die beiden Gebiete werden «H1» respektive «H2» bezeichnet. H2 beinhaltet die israelischen Siedlungen, Einrichtungen der israelischen Sicherheitskräfte sowie über 30’000 Palästinenser*innen.
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